Dieser (aktualisierte) Beitrag ist Teil des HSFK Reports 1/2017: „„America first“: Die Außen- und Sicherheitspolitik der USA unter Präsident Trump“ zur Wahl von Donald J. Trump zum Präsidenten der USA. Gemeinsam werfen HSFK-Expert*innen einen Blick auf Themen, die aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung besonders relevant sind, und wagen vorsichtige Prognosen über die Folgen der US-Wahl für diese Politikfelder. Die ursprüngliche Version dieses Beitrags sowie aller HSFK-Kommentare wurden kurz nach der Wahl des neuen Präsidenten im November 2016 veröffentlicht. Die aktuelle, überarbeitete Version erschien zur Amtseinführung Trumps im Januar 2017.
Demokratieförderung gilt vielen Beobachterinnen und Beobachtern als aktive Friedenspolitik – nicht zuletzt aufgrund des Befundes, dass Demokratien sehr selten Kriege untereinander führen. Gleichzeitig ist aggressive, teilweise mit militärischen Mitteln betriebene Demokratieförderpolitik, ganz offensichtlich kein friedfertiges Unterfangen. Glaubt man Trumps Wahlkampfaussagen, so steht die US-Demokratieförderpolitik vor einer deutlichen Wende.
Wenn auch wesentlich häufiger in Worten als in Taten, galt Demokratieförderung seit Jahrzehnten als zentrales Ziel der US-Außenpolitik.[1] Trump hält nicht viel von wertebasierter Außenpolitik; auch den so häufig postulierten Nutzen der Verbreitung liberal-demokratischer Werte für die nationale Sicherheit und andere US-Interessen erkennt er nicht an.
Kandidat Trump ging in einer außenpolitischen Grundsatzrede im April 2016 hart mit der aktuellen amerikanischen Außenpolitik ins Gericht: sie sei „unlogisch“, „dumm“ und „arrogant“.[2] Ausdrücklich betonte er, dass diese gescheiterte Politik auf der „gefährlichen Annahme“ beruhe, dass die USA aus Ländern ohne demokratische Vorerfahrung oder Interesse an ihr Demokratien machen könnten. So sei die Einmischung der USA in Staaten wie Irak, Ägypten (sic!) und Libyen für die Erstarkung des sogenannten Islamischen Staates (IS) mitverantwortlich. Darüber hinaus betonte Trump immer wieder seine Sympathie für Autokratien, welche Garanten für Stabilität seien.[3] Im Rahmen des US-außenpolitischen Spektrums ist es zwar keineswegs ungewöhnlich, dass der Schaffung von Stabilität Vorrang vor der Demokratieförderung eingeräumt wird. Öffentlich anzuzweifeln, dass jeder Mensch auf der Welt nach Freiheit und Demokratie strebe – das Fundament der US-Demokratieförderung schlechthin –, ist aber äußerst ungewöhnlich und damit ein bemerkenswerter Zug der Trumpschen Weltsicht. Seine Haltung zur Demokratieförderung lässt sich mit dieser Aussage auf einer Wahlkampfveranstaltung im September 2016 zusammenfassen:
“I believe in a foreign policy based on our national interests that focuses on American security and regional stability instead of using our military to create democracies in countries with no democratic history and couldn’t care less about democracy […] We are trying to force democracy down their throats and they don’t even want it.”[4]
Außerdem seien die USA mit Blick auf ihre eigenen Probleme ein „schlechter Botschafter“ in Sachen Demokratie und müssten erst einmal dringend vor der eigenen Haustür kehren.[5] Auch das ist in der US-Außenpolitik kein unbekanntes Argument: der Verweis auf die Notwendigkeit, die US-Demokratie als leuchtendes Vorbild, das in die Welt hinausstrahlt und andere Staaten inspiriert, wiederherzustellen.[6] Während die USA in dieser Hinsicht schon eine Weile mit Glaubwürdigkeitsproblemen kämpfen, dürfte die Wahl Trumps zum Präsidenten allerdings den bisher größten Tiefpunkt der Strahlkraft des demokratischen Exempels markieren. Dass nun ein Kandidat, der zu rassistischen und sexistischen Ausfällen neigt, ganze Bevölkerungsgruppen verunglimpft, Autokraten offen bewundert, demokratische Wahlergebnisse vorbeugend infrage stellt und Gewalt in Kauf nimmt, zum Präsidenten der USA gewählt worden ist und diese Wahl nun auch den innergesellschaftlichen Frieden gefährdet, lässt Demokratieförderung durch die USA als sehr zweifelhaftes Projekt erscheinen.
Folgt Präsident Trump seiner skizzierten Politiklinie, so wird Demokratieförderung zum ersten Mal seit über drei Jahrzehnten einen massiven und erkennbaren Bedeutungsverlust auf der außenpolitischen Agenda erleiden. Drei Dinge sind hier allerdings zu bedenken: Erstens hinkte die hochtrabende Rhetorik der Umsetzung der Demokratieförderung schon immer hinterher. Zweitens ist Demokratieförderung auf der operativ-bürokratischen Politikebene fest verankert und wird auf dieser wahrscheinlich auch unter Trump fortgesetzt werden. Drittens sind bisher alle Präsidenten an dem Versprechen, Demokratieförderung radikal zu verändern oder abzuschaffen, gescheitert: am prominentesten George W. Bush, der ebenso wie Trump anfänglich die Abschaffung dieser vermeintlich ideologisch verbrämten und für die USA gefährlichen Politik ankündigte – um sie dann wie nie zuvor auf die (rhetorische) Spitze zu treiben.[7]
[1] Thomas Carothers 2015: Democracy Aid at 25: Time to Choose, in: Journal of Democracy, 26:1, 59–73.
[2] „Trump on Foreign Policy“, 27.4.2016, http://nationalinterest.org/feature/trump-foreign-policy-15960?page=show.
[3] NBC-Interview mit Donald Trump, 4.10.2015, www.nbcnews.com/meet-the-press/meet-press-transcript-october-4-2015-n438271.
[4] Ben Jacobs: „Trump Fires up Crowd with Attack on Clinton’s ‘Disqualifying Conduct’“, 7.11.2016, www.theguardian.com/us-news/2016/sep/06/donald-trump-rally-greenville-north-carolina-clinton-attack.
[5] „Transcript: Donald Trump on NATO, Turkey’s Coup Attempt and the World“, 21.7.2016, www.nytimes.com/2016/07/22/us/politics/donald-trump-foreign-policy-interview.html.
[6] Tony Smith 2012: America’s Mission, Princeton, NJ: Princeton University Press.
[7] Jenseits der als Demokratieförderpolitik deklarierten Interventionen in Afghanistan und Irak wich Bush weitgehend nur rhetorisch von den Vorgängerregierungen ab.