Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat eine umfassende Neustrukturierung der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID angekündigt. Die Vorschläge reichen von Umstrukturierungen mittels Eingliederung in das Außenministerium bis zur kompletten Schließung der Organisation. Unmittelbar nach der Ankündigung wurden die finanziellen Mittel für zunächst 90 Tage eingefroren und weltweit zahlreiche Mitarbeiter:innen entlassen. Mit dem möglichen Aus von USAID steht ein fundamentaler Umbruch der internationalen Entwicklungspolitik und der Demokratieförderung bevor.
Zunächst kurz zur Erinnerung: Die USA sind bislang der größte Geber offizieller Entwicklungshilfe (ODA, official development assistance). Im Jahr 2023 gaben die USA dafür knapp 65 Milliarden US-Dollar aus; 50 Milliarden davon verantwortete USAID. Zu den vom US-Kongress mandatierten Aufgaben von USAID gehört, die sozioökonomische Entwicklung weltweit zu fördern und die Lebensbedingungen der Menschen, insbesondere im globalen Süden, zu verbessern. Diese Maßnahmen schließen laufende Wiederaufbauhilfen an die Ukraine ein. Auch im Bereich der Förderung von Demokratie und Menschenrechten ist USAID einer der wichtigsten internationalen Akteure und der größte Geber.
In der Vergangenheit war USAID stets eng an außen- und wirtschaftspolitische Interessen der USA gekoppelt. Kritiker:innen warfen USAID unter anderem vor, ein (neo-)liberales, neokolonialistisches Weltbild zu vertreten oder als verlängerter Arm der sicherheitspolitischen Interessen der USA zu wirken. Diese Kritik hätte durchaus inhaltliche Reformen begründen können. Die nun drohende drastische Umstrukturierung oder gar Schließung geht über eine einfache Reform weit hinaus.
Als Mitglieder des Forschungsnetzwerks Externe Demokratisierungspolitik erwarten wir erhebliche langfristige Folgen für die internationale Entwicklungspolitik und die Demokratieförderung, sollten die angekündigten Pläne vollumfänglich umgesetzt werden. Wir weisen insbesondere auf vier Folgen hin:
(1) Zerstörung etablierter Partnerschaften. Mit der abrupten Beendigung vieler oder gar aller Projekte würde ein umfangreiches, gut etabliertes Netzwerk von Partnerschaften zerschlagen. Bereits vor der Amtsübernahme von Donald Trump deuteten sich Einschnitte im US-Entwicklungsetat an. Die jetzige Situation geht darüber weit hinaus. Wenn die US-Regierung USAID im aktuellen Tempo weiter demontiert, schafft sie nur schwer umkehrbare Pfadabhängigkeiten. Durch die einseitige Auflösung von Kooperationsverträgen, den Abbau von vertrauensbasierten Partnerschaften und den Verlust erfahrener Mitarbeiter:innen wird es selbst bei einer späteren Neuausrichtung der US-Entwicklungspolitik schwierig sein, die Netzwerke und mit ihnen das Vertrauen wiederherzustellen. Insgesamt droht den USA, ein wichtiges Soft-Power-Instrument zu verlieren.
(2) Wegfall zentraler Entwicklungsvorhaben. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt fallen unzählige Projekte in den Ländern des Globalen Südens weg oder werden auf Eis gelegt, die zentrale Pfeiler von Gesundheitsmanagement (z.B. Impfkampagnen), Friedensaufbau oder humanitärer Hilfe darstellen. Diese Projekte ersetzten vielfach (schwache) staatliche Strukturen und kamen insbesondere vulnerablen Gruppen – wie Frauen und Kindern – zugute. Der Wegfall dieser Unterstützung würde erhebliche soziale und wirtschaftliche Instabilitäten nach sich ziehen. Außerdem signalisieren die USA mit diesen massiven Kürzungen eine Entsolidarisierung ihrer internationalen Beziehungen.
(3) Schaffung einer willkommenen Lücke für autokratische Akteure. Die Einstellung von USAID-Programmen würde eine enorme Finanzierungslücke und ein Machtvakuum hinterlassen. Autokratische Geber wie China, die Golfstaaten oder Russland könnten diese Lücke gezielt nutzen, um eigene autoritäre Netzwerke aufzubauen und ihrerseits neue Abhängigkeiten zu generieren. Für Russland etwa könnte sich dies als strategische Gelegenheit erweisen, ein breiteres Netzwerk an potentiellen Verbündeten zu schmieden. Daher hat der Umgang mit USAID auch sicherheitspolitische Relevanz.
(4) Fatale Signalwirkung und Erosion der Demokratie. Die drohende Schließung von USAID signalisiert, dass die Demokratieförderung außenpolitisch für die USA keine Priorität mehr hat. Andere demokratiefördernde Akteure könnten diesem Beispiel folgen und ihrerseits demokratiefördernde Programme reduzieren oder ganz einstellen. Aber nicht nur die Außen-, sondern auch die Innenpolitik westlicher Demokratien könnte betroffen sein. Westliche Regierungen könnten dem US-Beispiel folgen und ihre Bemühungen zur Stärkung eigener demokratischer Normen und Institutionen reduzieren. Populistische und extremistische Bewegungen werden sich ermutigt fühlen, demokratische Institutionen und Prinzipien weiter auszuhöhlen. Beides würde den weltweiten Trend zur demokratischen Erosion (democratic backsliding) weiter verstärken, insbesondere in politisch fragilen oder von populistischen Kräften herausgeforderten Demokratien. Nicht zuletzt sendet der Umgang mit USAID ein entmutigendes Signal an demokratische Bewegungen und Oppositionskräfte in autoritären Staaten. Diese Bewegungen setzen sich oft unter hohem persönlichem Risiko für demokratische Werte und Umbrüche in ihren Gesellschaften ein. Ihnen wird eine wichtige und oft entscheidende Unterstützung für konkretes Handeln genommen.
Die internationale Entwicklungspolitik und die Demokratieförderung stehen mit dieser Entscheidung vor der größten Zäsur seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Damals endete die systemische Blockkonfrontation zwischen kapitalistischen Demokratien und real-sozialistischen Diktaturen, was eine Neubewertung und Neuausrichtung der westlichen Demokratieförderung mit sich brachte. Mit dem Rückzug der USA aus diesem Feld entsteht nun erneut eine grundlegende Verschiebung in der internationalen Entwicklungsarchitektur, die weitreichende geopolitische und normative Folgen haben wird.
Was bedeuten diese Entwicklungen für Europa? Die europäischen Regierungen und ihre Entwicklungsagenturen müssen beweisen, dass sie ungeachtet der US-amerikanischen Verwerfungen an der Seite ihrer Partner:innen im globalen Süden und anderswo (etwa Ukraine) stehen, und dass sie weiterhin Entwicklungsvorhaben finanziell unterstützen. Um sich zu dieser Solidarität zu bekennen, bietet auch die vierte Financing for Development Conference der Vereinten Nationen im Juni 2025 eine gute Gelegenheit. Die Europäische Union muss der selbstdefinierten Rolle als normativer außenpolitischer Macht gerecht werden, das heißt, eine aktive Entwicklungspolitik und Demokratieförderung betreiben und eine regelbasierte multilaterale Ordnung glaubwürdig unterstützen. Den autoritären Kräften sollten die Europäer:innen auf jeden Fall nicht kampflos das Feld überlassen.
Autor:innen:
Sonja Grimm, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Tina Freyburg, Universität St.Gallen (Schweiz)
Julia Leininger, German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Solveig Richter, Universität Leipzig
Jonas Wolff, Goethe-Universität Frankfurt & Peace Research Institute Frankfurt (PRIF)